Bericht von der Ratsversammlung am 19.08.2021
Am Donnerstag wurde die „neue“ Strategieplanung der Stadtwerke im Flensburger Rat mit einer großen Mehrheit der Stimmen durchgewunken.
Die Stadtwerke erstellen alle fünf Jahre eine neue Strategieplanung, die vom Rat der Stadt Flensburg abgesegnet werden muss, da die Stadtwerke zu 100% in kommunaler Hand sind. Die Abstimmung dazu hat gestern im Deutschen Haus stattgefunden.
Unsere Kritik
In der Strategieplanung werden Ziele und Maßnahmen für die kommenden fünf Jahre festgelegt. Eigentlich also der perfekte Moment, um festzulegen, dass die CO2-Emissionen bis 2035 auf null sinken sollen – aber leider sind die „Dekarbonisierungsziele“ in der Strategieplanung ungenügend, wenn wir die im Pariser Klimaabkommen festgesetzte 1,5-Grad-Grenze noch einhalten wollen. Im Vorfeld der Ratsversammlung haben wir vom Bündnis Klimabegehren Flensburg Kritik an der Strategieplanung geäußert, alle Ratsfraktionen dazu aufgefordert, gegen die Strategieplanung zu stimmen und eine Pressemitteilung veröffentlicht.
Unser Protest
Auch bei der Ratsversammlung waren wir präsent: Wir haben die Ratsmitglieder mit einem Banner und Flyern vor dem Deutschen Haus in Empfang genommen und ihnen unsere Forderung (Flensburg fossilfrei bis 2035) mit auf den Weg gegeben. Einige von uns sind im Anschluss an die Kundgebung als Zuschauer*innen mit in die Ratsversammlung gegangen. Doch nicht nur im Publikum waren wir vertreten. Unser Pressesprecher Helmreich Eberlein hat in der Einwohner*innenfragestunde drei Fragen zu den (fehlenden) Klimaschutzambitionen der Stadt Flensburg und zu unserem Klimabegehren gestellt. Denn, wie ihr sicherlich wisst, warten wir seit fast drei Monaten auf die Kostenschätzung der Stadt, die wir brauchen, um mit der Unterschriftensammlung starten zu können. Helmreich hat in einem Abschlussstatement noch einmal betont, dass die Strategieplanung der Stadtwerke ungenügend ist, wenn wir uns am gerade veröffentlichten IPCC-Bericht orientieren, der voraussagt, dass die 1,5-Grad-Grenze schon Anfang der 2030er Jahre überschritten werden könnte.
Die Abstimmung
Doch der IPCC-Bericht, das Pariser Klimaabkommen und die Hochwasserkatastrophe vor ein paar Wochen schienen vergessen zu sein, als ein paar Minuten später die „neue“ Strategieplanung der Stadtwerke vom Geschäftsführer Dirk Wernicke vorgestellt wurde. Wir schreiben „neu“ hier in Anführungszeichen, weil es kaum Unterschiede zur letzten Strategieplanung von 2016 gibt – so als wäre seitdem nichts geschehen. In den nachfolgenden Redebeiträgen der Ratsmitglieder wurde die Strategieplanung als „guter Kompromiss“ gelobt. Es ist deutlich geworden, dass in der Gesellschafterversammlung der Stadtwerke (der auch einige Ratsmitglieder angehören) bei der Entwicklung der Strategie durchaus um ein paar Punkte gerungen wurde und dass einzelne Beteiligte die (zaghaften) Schritte zu einer früheren Dekarbonisierung tatsächlich für ein Ergebnis halten, auf das man stolz sein kann. Wir haben noch einmal gemerkt: Wenn man nicht tief im Thema drinsteckt, dann klingt „Klimaneutralität bis 2045“ und „Kohleausstieg bis 2030“ super. Allerdings ist Klimaneutralität 2045 immer noch viel, viel, viel zu spät und ein Kohleausstieg 2030 hilft uns auch nicht viel weiter, wenn statt der Kohle Erdgas verfeuert wird. In fast allen Redebeiträgen wurde betont, dass die Stadtwerke ein Unternehmen sind, dessen wirtschaftliche Tragfähigkeit an oberster Stelle steht. Dabei wurden Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz als sich widersprechende Gegensätze dargestellt. Dass die CO2-Preise in rasanter Geschwindigkeit steigen und auch das Erdgas immer teurer wird, wurde dabei nicht erwähnt – ganz zu schweigen von den Klimawandelfolgekosten.
Das Ergebnis
Ihr könnt es euch schon denken – am Ende der mehr als einstündigen „Diskussion“ wurde der Strategieplanung mit Stimmen aus fast allen Ratsfraktionen zugestimmt. Mitglieder des Bündnisses Solidarische Stadt haben dagegen gestimmt und die Ratsfrau Ursula Thomsen-Marwitz von der SPD hat bei der Abstimmung aus Protest gegen die Strategieplanung den Saal verlassen. Wir sind frustriert, wütend, enttäuscht – obwohl wir nichts anderes erwartet haben. Es war für einige von uns schwer auszuhalten, wie dieser riesige Widerspruch zwischen der Realität, die im IPCC-Bericht geschildert wird, und den grün angemalten Zielen der Stadtwerke einfach ignoriert wurde. Gleichzeitig war der Tag gestern ein großer Erfolg für uns. Denn: wir waren mit unserem Klimabegehren präsent in dieser Ratsversammlung. Als Flyer auf fast allen Tischen, als positiver Verweis auf unser bürgerliches Engagement, als negative Anschuldigung für unsere vermeintlich realitätsfernen Forderungen oder als verunsicherter Seitenblick in unsere Richtung auf der Zuschauer*innentribüne. Die Politiker*innen haben verstanden: Immer wenn sie ab jetzt über das Thema Klimaschutz in Flensburg oder die Stadtwerke sprechen, müssen sie auch über uns sprechen. Sie müssen sich mit unseren Forderungen auseinandersetzen und sich für ihr Handeln rechtfertigen.
So sehr wir die Entscheidung des Rates auch kritisieren – wir haben ein funktionierendes Mittel dagegen: Wir wissen jetzt umso mehr, dass unser Klimabegehren notwendig und erfolgversprechend ist. Lasst uns den Ratsmitgliedern weiterhin kritisch auf die Finger schauen und uns währenddessen vorstellen, wie wir in nicht allzu ferner Zukunft Flensburg fossilfrei gemacht haben werden. Denn, wie ein solidarisches Ratsmitglied in einer Rede gestern so schön über unser Klimabegehren gesagt hat:
„Was ist, wenn sie gewinnen…?“